Haftung für Hyperlinks – droht das Ende des Internets?

Haftung für Hyperlinks – droht das Ende des Internets?

Autor
Dr. Thomas Glückstein
Dr. Thomas Glückstein Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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Das LG Hamburg hat in einem erst heute bekannt gewordenen Beschluss vom 18. November 2016 die neueste EuGH-Rechtsprechung zur Haftung für Hyperlinks (vgl. unseren Blog-Beitrag dazu) erstmals in Deutschland zur Anwendung gebracht – und damit einen Sturm der Entrüstung in der Netzgemeinde ausgelöst. Sogar vom „Ende des Internets“ ist in ersten Reaktionen die Rede.

Worum geht es?

Der Betreiber einer Internetseite, über die dieser Lehrmaterial verkaufte, hatte auf ein Foto verlinkt. Das verlinkte Foto war allerdings nachträglich und ohne Zustimmung des Fotografen bearbeitet worden. Der Fotograf hatte das Originalfoto auf Wikimedia Commons unter einer sog. Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Die entsprechende Lizenz gestattete zwar die Nutzung des Fotos und auch die Anfertigung von Abwandlungen des Fotos. Nach den Lizenzbedingungen hätte aber bei einer Nutzung von Abwandlungen deutlich erkennbar gemacht werden müssen, dass es sich um Abwandlungen handelte. Das war bei dem verlinkten bearbeiteten Foto nicht geschehen. Auch auf den Urheber des Fotos war nicht hingewiesen worden.

Die Folge: Die Nutzung des abgewandelten Fotos ohne Urhebernennung verstieß gegen die Lizenz und war somit unrechtmäßig. Und genau auf dieses Foto hatte der Seitenbetreiber verlinkt.

Der Fotograf verlangte daher im Wege der einstweiligen Verfügung Unterlassung der Verlinkung auf das abgewandelte (aber nicht als solches gekennzeichnete) und ohne Urhebernennung veröffentlichte Foto des Fotografen.

Entscheidung des Gerichts

Das LG Hamburg gab dem Fotografen recht und untersagte dem Seitenbetreiber die Linksetzung.

Verstoß gegen Creative Commons Lizenz

Dass der verlinkte Inhalte hier rechtswidrig war, ergab sich aus dem Verstoß gegen die Lizenzbedingungen der Creative Commons Lizenz. Dieser Verstoß war freilich nicht von dem Linksetzer vorgenommen worden, sondern von demjenigen, der das abgewandelte Foto online gestellt hatte.

Anwendung der EuGH-Rechtsprechung

Dass der verlinkende Seitenbetreiber trotzdem Unterlassung schuldet, begründete das LG Hamburg mit der jüngsten Entscheidung des EuGH zur Haftung für Hyperlinks. Der EuGH hatte am 8. September 2016 entschieden, dass das Setzen von Hyperlinks auf rechtswidrige Inhalte dann eine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn der Linksetzende die Rechtwidrigkeit des verlinkten Inhalts kannte oder dabei jedenfalls fahrlässig handelte (also die Rechtswidrigkeit hätte erkennen müssen). Ein solches Verschulden des Seitenbetreibers bei der Verlinkung stellte das LG Hamburg hier zwar nicht ausdrücklich fest.

Linksetzung mit Gewinnerzielungsabsicht

Etwas anderes gilt allerdings bei einer Verlinkung mit „Gewinnerzielungsabsicht“. Dann kann nach Ansicht des EuGH erwartet werden, dass der Linksetzer vor der Verlinkung prüft, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig online ist.

Eine solche Gewinnerzielungsabsicht bejahte das LG Hamburg vorliegend. Über die Internetseite werde Lehrmaterial verkauft. Die Seite diene somit kommerziellen Zwecken. Der Seitenbetreiber hätte also vorab prüfen müssen, ob das verlinkte Foto rechtmäßig online steht. Da er das nicht getan hatte, hafte er für die Verlinkung auf das rechtswidrige Foto, so das Gericht.

Das Ende des Internets?

Aufgrund der Entscheidung des Gerichts wittert die Netzgemeinde bereits ein neues Geschäftsfeld für „Abmahnanwälte“ und befürchtet das Ende der „freien Linksetzung“. Tatsächlich hat das LG Hamburg nichts anderes gemacht als die Rechtsprechung des EuGH anzuwenden. Die Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung zeigt erstmals plastisch, wie problematisch die vom EuGH aufgestellten Kriterien zur Haftung für Hyperlinks sind.

Grundsatz: keine Haftung für Hyperlinks

Nicht vergessen werden sollte dabei allerdings, dass auch für den EuGH die Haftung für Hyperlinks die Ausnahme ist. Ohne weiteres zulässig sind Hyperlinks auf rechtmäßig im Internet veröffentlichte Inhalte (EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u.a., Az. C-466/12) – und zwar selbst dann, wenn die Linksetzung im Wege des Framing erfolgt (EuGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014, Best Water, Az. C-348/13).

Auch bei der Verlinkung auf rechtswidrige Inhalte ist derjenige von einer Haftung verschont, der von der Rechtswidrigkeit des verlinkten Inhalts nichts weiß (und auch nichts wissen muss) und ohne Gewinnerzielungsabsicht handelt. Für den normalen Blogger kann daher Entwarnung gegeben werden. Das Ende des Internets und der freien Linksetzung ist daher allen Unkenrufen zum Trotz nicht zu befürchten.

Kriterien des EuGH unklar

Problematisch wird es allerdings tatsächlich dann, wenn die vom EuGH als Kriterium ausgerufene „Gewinnerzielungsabsicht“ ins Spiel kommt. Dieses an subjektive Gesichtspunkte anknüpfende Kriterium zur Bestimmung einer öffentlichen Wiedergabe ist hochproblematisch und erscheint – jedenfalls als alleiniges Kriterium – zur Lösung praktischer Haftungsfragen wenig tauglich.

Unklar ist schon, wann genau eine „Gewinnerzielungsabsicht“ vorliegt. Muss die konkrete Verlinkung mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgen, z. B. weil es eine Klick-Honorierung gibt, wie es bei Affiliate-Systemen der Fall sein kann? Oder reicht schon eine einzelne Werbeanzeige auf einer Internetseite?

Geht es nach dem LG Hamburg, genügt es, wenn der Internetauftritt „insgesamt auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient“ – ein denkbar weites und vages Verständnis der Gewinnerzielungsabsicht. Hier sind dringend Präzisierungen durch die Rechtsprechung nötig.

Zudem ist derzeit nicht erkennbar, was genau der „kommerzielle“ Linksetzer genau machen muss, um seine Haftung für Verlinkungen auf rechtswidrige Inhalte zu vermeiden. Das Problem ist, dass einem verlinkten Inhalt regelmäßig nicht anzusehen ist, ob er illegal im Internet steht. Ob es ein angemessenes Ergebnis ist, einem kommerziellen Betreiber einer Internetseite zu verpflichten, jeden einzelnen Link stets vorab zu überprüfen, darf in dieser Pauschalität bezweifelt werden.

Keine Zweifel bestehen allerdings daran, dass sich die Gerichte mit dieser Frage in Zukunft noch öfter werden beschäftigen müssen.

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