Verbreitung illegaler Filmaufnahmen

Verbreitung illegaler Filmaufnahmen

Autor
Dr. Thomas Glückstein
Dr. Thomas Glückstein Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Profil ansehen

Blogeintrag teilen via

In einem Urteil vom 10. April 2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Verbreitung illegaler Filmaufnahmen als rechtmäßig angesehen. In der konkreten Entscheidung hat der BGH dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einen außerordentlich hohen Stellenwert beigemessen und den investigativen Journalismus gestärkt (BGH, Urteil vom 10. April 2018, Az. VI ZR 396/16).

Worum ging es?

Der MDR hatte in der Sender-Reihe „ARD Exklusiv“ unter dem Titel „Wie billig kann Bio sein?“ sowie in der Sendung „FAKT“ einen Bericht über biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten ausgestrahlt. Darin wurden Aufnahmen aus Bio-Hühnerställen gezeigt, in denen Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner zu sehen waren. Die Aufnahmen waren illegal entstanden: Ein Tierschutz-Aktivist war in der Nacht in zwei Ställe eingedrungen, hatte dort die Aufnahmen angefertigt und diese dem MDR zur Verfügung gestellt.

Der Erzeugerzusammenschluss, in dem u.a. die beiden fraglichen Betriebe zusammengeschlossen waren, klagte gegen den Sender auf Unterlassung der Verbreitung der Aufnahmen.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH wies die Klage ab – anders als noch die Vorinstanzen. Weder liege eine Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts vor, noch sei das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt. Denn im konkreten Fall überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die Interessen der Klägerin.

Daran ändere auch nichts, dass die Aufnahmen für die Klägerin geschäftsschädigend sind, heimlich und ungenehmigt angefertigt wurden und in strafbarer Weise erlangt worden sind. Denn der beklagte Fernsehsender sei an dem begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt gewesen. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Klägerin würden nicht offenbart. Die Aufnahmen würden keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthalten. Die Presse als „Wachhund der Öffenltichkeit“ habe die Aufgabe, sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander zu setzen.

Nicht entscheidend war für den BGH, dass die Betriebe die maßgeblichen Rechtsvorschriften hinsichtlich Tierschutz etc. weitestgehend einhielten. Obwohl die Aufnahmen somit keine Straftaten aufdeckten, während die Aufnahmen selbst in strafbarer Weise entstanden sind, räumte der BGH dem Informationsinteresse vorliegend den Vorrang vor den Interessen der Klägerin ein.

Unsere Einschätzung

Die Entscheidung stärkt die Presse und den investigativen Journalismus erheblich. Der BGH geht in seiner Entscheidung sehr weit. Das öffentliche Informationsinteresse kann sogar dann überwiegen, wenn ungenehmigte Aufnahmen in strafbarer Weise angefertigt wurden und die Aufnahmen keine Straftaten oder sonst rechtswidriges Handeln aufdecken.

Wo genau die Grenzen bei ungenehmigten Aufnahmen verlaufen, wird aber weiterhin eine Einzelfallentscheidung bleiben. So konnte der BGH im konkreten Fall offen lassen, ob die Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn der ausstrahlende Sender selbst in rechtswidriger Weise die Aufnahmen angefertigt hätte. Maßgebliches Gewicht hatte vorliegend auch, dass der beanstandete Bericht nach Einschätzung des BGH von journalistischer Qualität war und ein Thema betraf, an dem ein hohes Informationsinteresse der Bevölkerung bestand.

Nicht thematisiert wurde in der Entscheidung, ob sich vorliegend aus dem Recht des Eigentümers der Ställe ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Aufnahmen seines Eigentums ergeben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010, Az. V ZR 45/10 sowie BGH, Urteil vom 1. März 2013, Az. V ZR 14/12). Die Frage stellte sich vermutlich nicht, da die Klägerin wohl nicht Eigentümerin der gefilmten Ställe war.

Die Entscheidung des BGH ist nach ihrer Veröffentlichung hier abrufbar.

 

Weitere Blogeinträge

Neuer Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung für Film- und Fernsehschaffende

Neuer Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung für Film- und Fernsehschaffende

Bereits bei der Einigung über den TV FFS wurde bekannt gegeben, dass es zusätzlich einen neuen Tarifvertrag für eine betriebliche Altersversorgung für Film- und Fernsehschaffende geben soll (siehe unseren Blogbeitrag hierzu). Dieser tritt nun zum 1. Juli 2025 in Kraft. Darauf haben sich die Produktionsallianz, ver.di und BFFS geeinigt. Die neuen Regelungen sollen eine branchenweit …

Mehr erfahren
brand eins 2025: LAUSEN als 5-Sterne-Kanzlei im Medien- und Urheberrecht ausgezeichnet

brand eins 2025: LAUSEN als 5-Sterne-Kanzlei im Medien- und Urheberrecht ausgezeichnet

LAUSEN zählt auch 2025 wieder zu den besten Wirtschaftskanzleien Deutschlands. In der aktuellen Erhebung des renommierten Wirtschaftsmagazins brand eins wurden wir gleich in mehreren Bereichen herausragend bewertet. Spitzenplatz in der Kategorie Medien & Presse: Unsere Expertise im Medienrecht wurde erneut überdurchschnittlich häufig empfohlen – LAUSEN zählt in dieser Kategorie zu den Top-Kanzleien des Landes und …

Mehr erfahren
Verletzung des deutschen Urheberrechts nur bei hinreichendem Inlandsbezug

Verletzung des deutschen Urheberrechts nur bei hinreichendem Inlandsbezug

Grenzüberschreitende Urheberrechtsverletzungen kommen in der Praxis häufig vor, naturgemäß vor allem bei Internetsachverhalten. Eine Klage wegen einer solchen Urheberrechtsverletzung wirft stets Fragen des Prozessrechts, des internationalen Privatrechts und des materiellen Rechts auf: Ist das angerufene deutsche Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig? Ist der Rechtsstreit nach deutschem Urheberrecht zu beurteilen? Wenn beides der …

Mehr erfahren